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2024


Wende am Flughafen: Essens Grüne machen es sich zu einfach

24.06.2024, 05:43 Uhr • Lesezeit: 4 Minuten

Von Marcus Schymiczek

Essen. Die Öko-Partei ist plötzlich für Erhalt des Flughafens Essen-Mülheim. In naiver Fortschrittsgläubigkeit wirft sie jahrzehntealte Positionen ab.

Die jüngste Schleife hat etwas von einem Segelflug: Fast lautlos steuert die Mehrheit im Rat der Stadt eine Wende: Die Stadt Essen will den Flughafen Essen/Mülheim nicht länger aufgeben, wie es der Rat 1990 erstmals beschlossen hatte. Damals war nicht abzusehen, dass dieses Thema die Politik noch über Jahrzehnte umtreiben sollte. Erst Gerichte legten fest, dass der Flugbetrieb frühestens im Jahr 2034 auslaufen darf, wenn die Rechte des Aero-Clubs auslaufen. Seitdem begleiteten Kapriolen die politische Debatte, in Essen weniger als in Mülheim, wo über die Zukunft des Flughafens immer schon sehr viel emotionaler diskutiert wurde.

Nun sind sich die schwarz-grünen Mehrheiten einig: Der Flugbetrieb soll fortgesetzt werden, über 2034 hinaus. Sollten dies beide Räte so beschließen, wovon angesichts der Mehrheiten von CDU und Grünen auszugehen ist, wäre dies eine historische Entscheidung. Allein schon deshalb, weil der Flughafen so lange schon unter umgekehrten Vorzeichen auf der Tagesordnung steht.

Die Essener Grünen werfen jahrzehntelange Positionen ab wie lästigen Ballast

Dass es so kommen könnte, deutete sich bereits an. Spätestens, seit die CDU auf ihrem Parteitag 2019 eine Fortsetzung des Flugbetriebes nicht mehr ausschließen wollte. Dass aber auch die Grünen den Steuerknüppel herumreißen und dabei jahrzehntelang gepflegte Positionen abwerfen, als wäre es lästiger Ballast, überrascht dann doch. Flughafen-Gegner bleiben staunend und wütend zurück.

Sie haben sich nie gewöhnen wollen an die lärmenden Propellermaschinen der Flugschulen, die über den Dächern ihrer Häuser ihre Runden drehen. Andere, die weit genug entfernt wohnen, mögen es anders sehen. Für viele dürfte der Flughafen einfach dazu gehören, mit dem Zeppelin am Himmel, der positive Kindheitserinnerungen weckt. Auch bei jenen, die sich den 470 Euro teuren Rundflug nicht leisten können.

Plötzlich soll am Flughafen Essen/Mülheim möglich sein, was als undenkbar galt

Der Luftschiff-Betreiber WDL hat diese Emotionen geschickt bedient. Dank kluger und hartnäckiger Öffentlichkeitsarbeit ist dem Luftfahrtunternehmen gelungen, die politische Mehrheit zu einem Kurswechsel zu bewegen. 180-Grad-Wende sei das nicht, sagt Stephan Neumann, Fraktionssprecher der Grünen im Essener Rat, und klingt, als fühle er sich nicht ganz wohl in seiner Haut. Dabei ist es genau das: ein radikaler Kurswechsel. Nicht nur, dass über 2034 hinaus geflogen werden soll. Die Rede ist auch von Düsenjets und einem Instrumentenladensystem, das es ihnen erlaubt, Essen/Mülheim auch bei schlechter Sicht anzusteuern. Plötzlich soll möglich sein, was bisher als undenkbar galt.

In überraschendem Fortschrittsglauben vertrauten die Grünen, die sonst nicht durch Technikfreundlichkeit auffallen, darauf, dass emissionsarme Flugzeuge es richten werden und auch dem Klimaschutz genügen. Das mag man visionär nennen – oder naiv. Den Flughafen wollen sie aus den roten Zahlen steuern. Die Zahl der Flugbewegungen dürfe aber nicht steigen. Hört sich an, als würden sie dem Braten selbst nicht trauen.

Es ist nicht lange her, da hat sich die Politik intensiv mit der Frage befasst, ob sich das Flughafenareal nicht sinnvoller nutzen ließe im Sinne des Allgemeinwohls – durch den Bau von Wohnungen, die fehlen, und durch die Ansiedlung von Gewerbebetrieben, die höhere Steuereinnahmen erwarten lassen. Und dies alles, ohne den Artenschutz außer Acht zu lassen.

CDU und Grüne steuern in eine andere Richtung, indem sie den Flughafen erhalten wollen. Zahlen müssen erst einmal die beiden Städte, denn Investitionen in Millionenhöhe in die Infrastruktur sind erforderlich. Ob sich der Flughafen tatsächlich bezahlt macht, ist nicht ausgemacht. Das Risiko tragen wir Steuerzahler. Man kann am Flughafen festhalten, nur dafür zahlen sollten diejenigen, die unbedingt fliegen wollen.

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Flughafen-Wende

Flughafen: Lärm-Gegner fühlen sich von den Grünen verraten

23.06.2024, 05:30 Uhr • Lesezeit: 5 Minuten

Von Marcus Schymiczek

Essen/Mülheim. Die „Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm Essen und Mülheim“ kritisiert die Wende pro Flughafen – und findet deutliche Worte.

Mit einer Mischung aus Wut und Fassungslosigkeit reagiert die „Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm Essen und Mülheim“ auf die jüngste politische Wendung in Sachen Flughafen Essen/Mülheim. CDU und Grüne wollen den Landeplatz auf den Ruhrhöhen, wie berichtet, über das Jahr 2034 hinaus erhalten. Der erstmals 1990 vom Rat der Stadt gefasste Ausstiegsbeschluss wäre damit hinfällig.

Auf Unverständnis stößt bei der Schutzgemeinschaft dabei insbesondere die Haltung der Grünen, die mit einem Ja zum Flughafen eine radikale Wende vollziehen. „Die Grünen haben jahrzehntelang an unserer Seite für die Schließung des Flughafens gekämpft. Nun, wo es an die Schließung geht, machen sie das Gegenteil“, kritisiert Thomas Haffner, 1. Vorsitzender der Schutzgemeinschaft. „Diese Partei hat ihren Kompass völlig verloren.“

In Essen und Mülheim stehen Ratsbeschlüsse zum Fortbestand des Flughafens an

In der Tat schien es lange Zeit ausgemachte Sache, dass der Flughafen aufgegeben wird, wenn 2034 die verbrieften Rechte der Sportflieger des Aero-Club auslaufen. Essen und Mülheim wären als Eigentümer des Flughafens dann nicht länger verpflichtet, den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten. Von dem politischen Kurs rückte zunächst die CDU ab, der die Grünen nun folgen. Auch die schwarz-grüne Mehrheit will für den Fortbestand des Flughafens votieren. Entsprechende Ratsbeschlüsse stehen in beiden Stadträten an.

Damit nicht genug: Auch Starts und Landungen von Düsenflugzeugen sollen nach dem Willen von CDU und Grünen in Essen/Mülheim in Zukunft möglich sein, was eine neue Betriebsgenehmigung erforderlich macht. Ein Instrumentenlandesystem, das Starts und Landungen auch bei schlechten Witterungen möglich macht, soll „so schnell wie möglich“ installiert werden; so formulierte es jüngst Fabian Schrumpf, Vorsitzender der Essener CDU-Ratsfraktion im Gespräch mit der Presse. Es wäre die Abkehr von einem Tabu. Bislang sind Jets auf dem Verkehrslandeplatz nur in medizinischen Notfällen zugelassen, etwa für den Transport lebenswichtiger Organe.

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